ab 1990

ab 1990

Einleitung

Ein „rundes“ Jubiläum eines Vereins ist immer ein willkommener Anlass, sich noch einmal mit der Geschichte des Vereins auseinanderzusetzen und zurückzublicken auf das, was in der Vergangenheit erreicht wurde. Für diese Chronik haben wir uns entschlossen, die letzten 25 Jahre Vereinsgeschichte – seit dem Erscheinen der Festschrift zum 100-jährigen Vereinsjubiläum im Jahre 1990 – nicht in streng chronologischer Folge, sondern thematisch gegliedert aufzuarbeiten.
Die ältere Geschichte des Vereins im Laufe der ersten 100 Jahre des Vereinsbestehens wurde bereits mehrfach in Jubiläums-Festbüchern dargestellt. Ein größtenteils unveränderter Abdruck dieser bereits bestehenden Chroniken – mit einigen Kommentaren zu deren Entstehung – findet sich in den folgenden Kapiteln.
Neben den Festschriften der Jubiläumsfeste veröffentlicht der Musikverein auch die „MVS-Post“, die seit 1977 regelmäßig über alle Veranstaltungen und Auftritte des MVS informiert. Nimmt man die Rubriken „Im Rückblick“ und „Im Brennpunkt“ aller bisher erschienenen Ausgaben zusammen, so ergibt sich eine detaillierte fortlaufende Chronik, auf die wir an dieser Stelle verzichten.
In dieser Chronik möchten wir zwei Themenbereiche besonders hervorheben, die eine wichtige Rolle in der Arbeit des Musikvereins spielen: zum einen sind dies die regelmäßigen Konzertveranstaltungen, mit denen sich der Musikverein in der Öffentlichkeit präsentiert, zum anderen die Jugendarbeit, das heißt die Ausbildung und Integration neuer, junger Musiker, ohne die ein Fortbestehen des Vereines auf Dauer nicht möglich ist.

Zur Quellenlage

Die Darstellung der Geschichte des Musikvereins Scheuerfeld seit dessen Anfängen in den 1890er Jahren gestaltet sich auf Grund des großen Zeitabstandes nicht einfach. Ein von Anfang an geführtes Vereinsarchiv besteht ebensowenig wie eine fortlaufend geschriebene Chronik; ein historisches Dokument, das die Gründung des Vereins datumsmäßig exakt belegen könnte, ist ebenfalls nicht überliefert. Es kann also immer nur der Versuch gemacht werden, die Vergangenheit im Rückblick aus den überlieferten Zeugnissen zu erschließen.
Die älteste bekannte Fotografie des Musikvereins

Die älteste bekannte Fotografie des Musikvereins

 
Als der Musikverein im Jahr 1990 – 100 Jahre nach der angegebenen Gründung im „Frühjahr 1890“ – die PRO MUSICA-Plakette beantragte, die ausschließlich zum 100-jährigen Vereinsbestehen an Musikvereinigungen verliehen wird, schrieb der damalige Festausschuss-Vorsitzende Siegfried Laux: „Da der Gründungsnachweis verloren gegangen ist, können wir uns bei der Angabe des Gründungsdatums ausschließlich auf mündliche und mittelbare Überlieferung berufen.“ Als Dokumente für das Bestehen des Musikvereins wurden dem Antrag neben einer Bestätigung des damaligen Bürgermeisters Franz Karst, dass der Musikverein Scheuerfeld sich „seit seiner Gründung im Jahre 1890 […] als Kulturträger mit der Pflege der Blasmusik und der Förderung der Jugend befaßt“, unter anderem Reproduktionen alter Fotografien, darunter das älteste bekannte Bild des Blasorchesters, und eine Kopie der Festschrift „60 Jahre Musikverein Scheuerfeld“ aus dem Jahre 1950 beigefügt. Diese Festschrift enthält die älteste bekannte gedruckte Chronik des Musikvereins sowie eine Liste der Vereinsgründer. Die Namen der Vereinsgründer stammen offensichtlich von einer handschriftlichen Liste der „Gründer und Ehrenmitglieder des Musikvereins Scheuerfeld“, die im Vereinsarchiv erhalten und auch im Festbuch von 1990 abgedruckt ist. Auf demselben Papierbogen werden weiter „Aktive Mitglieder des Musikvereins Scheuerfeld am 1. Januar 1934“ sowie „Passive Mitglieder“ aufgelistet. Während die Eintrittsdaten der aktiven Mitglieder bis zum 3. September 1906 zurückreichen, ist das früheste verzeichnete Eintrittsdatum für ein passives Mitglied der 1. April 1928.
Weitere offizielle Dokumente, die sich im Vereinsarchiv befinden, sind mehrere handschriftliche Kassenbücher, die die Jahre 1934–1967 abdecken. Ebenso sind die Protokolle der Jahreshauptversammlungen, die verlesenen Geschäftsberichte sowie teilweise auch Anwesenheitslisten der Versammlungen ab 1967 archiviert. Weitere Quellen für die Dokumentation der Vereinsgeschichte sind immer wieder Privatpersonen, die verschiedene Fotos, Konzertprogramme, Zeitungsausschnitte oder auch die Schallplatten mit Aufnahmen des MVS aufbewahrt haben. In den vergangenen Jahren konnte der Musikverein viele dieser Dokumente als Spende in sein Archiv übernehmen und bestehende Lücken schließen. Weitere Beiträge von aktiven oder passiven Mitgliedern des MVS ebenso wie von Nichtmitgliedern nehmen wir gerne in unser Vereinsarchiv auf. Auf diese Weise ist es zum Beispiel gelungen, wieder eine komplette Reihe der Festschriften der Jubiläumsfeste von 1950 bis 1970 zusammenzustellen. Zusammen mit der letzten gedruckten Fassung in der Festschrift zum 100-jährigen Bestehen im Jahre 1990 lassen sich die Überarbeitungen und Ergänzungen des Chronik-Textes der „älteren Vereinsgeschichte“ erkennen, dem wir ein eigenes Kapitel widmen.
Beim Verfassen der Festschrift im Rahmen der Vorbereitung des Festes zum 100-jährigen Jubiläum stand dem MVS leihweise die „Vereinsgeschichte des Musikverein Scheuerfeld 1890 e.V. in Wort und Bild“ zur Verfügung, vier große Aktenordner, in denen der damalige Ehrenvorsitzende Johann von Weschpfennig bis kurz vor seinem Tod im Juni 1989 eine Fülle von Fotos, Zeitungsausschnitten, Konzertprogrammen und weiteren Erinnerungsstücken gesammelt hatte. In diesen Ordnern findet sich als frühestes Dokument für die Konzerte des MVS beispielsweise ein Programm vom 11. April 1937. In einer anderen Sammlung, die sich im Vereinsarchiv befindet, zeugen wenige datierte Fotos von der Teilnahme des Musikvereins an der Fronleichnamsprozession in Betzdorf (!) in den 1920er Jahren und beim Richtfest und der Einweihung der katholischen Kirche St. Franziskus in Scheuerfeld.
Ein letztes Dokument, in dem man Informationen über die frühe Geschichte des Vereins vermuten kann, ist die alte sogenannte „Schulchronik“ des Ortes Scheuerfeld. In dieser – auf dem Einband schlicht als „Chronik“ betitelt – wird im ersten Teil auf knapp dreißig Seiten die „Chronik des Ortes in früherer Zeit“ dargestellt, bevor der Verfasser sich im zweiten Teil „Scheuerfeld im 20. Jahrhundert“ und schließlich der „Geschichte der Schule“ widmet. Der Text der Chronik ist fast durchgehend in deutscher Kurrentschrift verfasst, nur die Kapitelüberschriften sowie Eigennamen von Personen und Orten stehen oft in lateinischer Schrift – womit es dem heutigen Leser bedeutend leichter ist, die korrekte Schreibweise der Namen zu erkennen.
Ausschnitt aus der sog. Schulchronik, S. 35—36

Ausschnitt aus der sog. Schulchronik, S. 35—36

Tatsächlich findet sich in der „Schulchronik“ eine der ältesten bekannten schriftlichen Erwähnungen des Musikvereins. Unter der Kapitelüberschrift „Die Einwohner des Ortes“ heißt es im Abschnitt über die „Sitten und Ansichten“: „Die Bürger lieben Musik, Gesang und Geselligkeit. Im Nov[ember] 1874 gründete Kollege Eutebach den Männergesangverein, der von ihm, dem Koll[egen] Breiden in Bruche, Adam Schmidt in Dauersberg u[nd] Betzdorf, Kiefer hier, dem Musiker Aloys Dörner v[on] hier 1899–1901 und mir von 1901 ab, geleitet wurde. Die Musikkapelle wurde ___ [Leerstelle im Manuskript, Anm. d. V.] gegründet; ihre Mitglieder sind von hier, Wallmenroth u[nd] Alsdorf; ihr Kapellmeister ist von ___ bis heute Herr Robert Becher. ___ gründete man den Kriegerverein ‚Graf Moltke’ für die Orte Sch[euerfeld], Wallm[enroth] u[nd] Bruche.“
Der Text dieses Abschnittes wirft nun einige Fragen auf: Wer war der Verfasser, wann hat er diese Chronik geschrieben, und warum gibt es hier (ebenso wie im weiteren Text der alten „Schulchronik“), so viele Auslassungen? Am einfachsten lässt sich wohl noch die Frage nach dem Verfasser der Schulchronik klären. Dieser war – wie oben zitiert – seit 1901 Leiter des Männergesangvereins, und zum Zeitpunkt, als die Chronik geschrieben wurde, immer noch mit dieser Aufgabe betraut. Nehmen wir als weitere Quellen die Festschriften des MGV 1874 dazu, so finden wir in der zum 95-jährigen Bestehen des MGV (die im Archiv des MVS nur unvollständig erhalten ist) folgende Passage: „Von 1899 bis zum Jahre 1920 lag die choristische Betreuung in den bewährten Händen von Hauptlehrer Christian Wisser.“ Fünf Jahre später, in der Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum des MGV, wird angegeben: „Nachfolger des Lehrers und Chorleiters Eutebach wurde der neue und junge Lehrer Christian Wisser. Auch er nahm sich für mehr als 20 Jahre der fachlichen Betreuung des Scheuerfelder Gesangvereins an, […] Im Jahre 1920 wurde neuer Chorleiter Musik-Direktor Fritz Rötgen aus Köln.“ Damit kommt als Verfasser der Schulchronik eigentlich nur eben dieser Hauptlehrer Christian Wisser in Betracht, der – am 30.08.1877 geboren – seit dem 1.8.1899 an der katholischen Volksschule in Scheuerfeld tätig war, wie seine in der „Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung“ (http://bbf.dipf.de) verfügbare „Personal=Karte für Lehrer“ belegt.
Die zweite Frage, nämlich die nach der Entstehungszeit der Schulchronik, kann zumindest in eine Richtung genau eingegrenzt werden: Da sich die Notiz über die „Musikkapelle“ ganz am Ende des über sechs Seiten ohne Unterbrechungen und Lücken geschriebenen Kapitels über „Die Einwohner des Ortes“ Scheuerfeld befindet, und dieses Kapitel mit dem Satz „Bei der Volkszählung am 1. Dez. 1900 belief sich die Bevölkerung auf 670 Personen“ beginnt, ist eine Niederschrift vor eben diesem Datum ausgeschlossen. Die in der Schulchronik folgenden Kapitel „Die Flur“, „Scheuerfeld in den Jahren 1902–1909“, „Der Gemeindehaushaltsplan [für das Jahr 1908]“ und „Von 1910 ab“ sind in der gleichen ruhigen und gleichmäßigen Handschrift geschrieben, wobei die Ereignisse eines einzelnen Jahres teilweise weniger als eine halbe Seite ausmachen. Hier ist zu vermuten, dass diese Aufzeichnungen noch rückblickend verfasst wurden. Erst ab dem Jahr 1911 werden die Aufzeichnungen ausführlicher und die Schrift flüssiger, so dass spätestens im Jahr 1914, nach der Überschrift „Der Krieg“, der detaillierte, wiederum monatsweise gegliederte Darstellungen folgen, von einer zeitnah verfassten Chronik im eigentlichen Wortsinn ausgegangen werden kann. Aufgrund der Anordnung der einzelnen Kapitel in der Chronik ist es unwahrscheinlich, dass der oben zitierte Absatz über die „Musikkapelle“ später geschrieben wurde.
Die letzte Frage, warum schon der damalige Chronist zu einem Zeitpunkt, als der Musikverein wohl kaum mehr als 25 Jahre bestand, keine genaue Angabe zum Gründungszeitpunkt macht, kann aus heutiger Sicht nicht mehr beantwortet werden. Denkbar scheinen die beiden folgenden Hypothesen: Nimmt man an, dass die Chronik von Christian Wisser geschrieben wurde, so wäre es möglich, dass dies schon zu einen Zeitpunkt geschah, an dem der gebürtige Horhausener noch nicht alle Einzelheiten in seinem neuen Wohn- und Wirkungsort kannte, und diese später nachtragen wollte, was dann aber aus unbekannten Gründen unterblieb. Die zweite Hypothese wäre, dass sich der Chronist zwar um eine möglichst exakte Darstellung der Gegebenheiten bemühte, aber in diesem Falle keine Informationen fand, da es für den Musikverein vielleicht niemals einen formalen Gründungsakt gab, sondern dass dieser langsam aus einer Gruppe von gemeinsam musizierenden Menschen gewachsen ist. Die Vereinschronik im Festbuch des Jahres 1960 formuliert zwar „… um eine Musikgruppe zu gründen“, aber ob das Wort „gründen“ hier als formaler Akt zu verstehen ist, bleibt zweifelhaft. Berücksichtigt man, dass laut Liste im Festbuch von 1955 (1950 gibt es hierzu keine Angaben) nur noch zwei der Gründungsmitglieder nicht als verstorben genannt werden, und nur ein weiterer gemäß handschriftlichem Eintrag in der alten Mitgliederliste zumindest bis 1951 noch lebte, so ist doch die Zahl der Personen, die noch aus erster Hand Zeugnis über die Anfänge des Musikvereins ablegen konnten, schon zu diesem Zeitpunkt sehr gering.
Programmzettel aus dem Jahre 1903

Programmzettel aus dem Jahre 1903

Der erste bekannte datierte Beleg für die Existenz des Musikvereins ist ein noch erhaltener Programmzettel für ein „Vokal- und Instrumental-Konzert“ am 17. Mai 1903, der sich in der Sammlung der „Scheuerfelder Spurensucher“ befindet. Dieses Konzert „zum Besten des Kirchenbaues“ fand im Betzdorfer Kaisersaal (d. h. im Saal des Gasthofs „Vomfell“ in Betzdorf, später und bis heute unter dem Namen „Bürgergesellschaft“ bekannt) statt.
Sofern nicht in Zukunft noch weitere alte Dokumente gefunden werden, muss die „Forschung“ zur Frühzeit des Musikvereins Scheuerfeld als abgeschlossen gelten und das Gründungsjahr 1890 als unbestätigt, aber auch unwiderlegt angenommen werden.